Die Geschichte der Pfarrkirche St. Ägyd zu Korneuburg

Wenn man der Pfarrchronik folgt, setzte die von Neuenburg ausgehende Besiedlung des nördlichen Donauufers um das Jahr 1100 ein. Die ersten Siedler waren vermutlich Fischer und Fährleute, die eine der vielen Inseln im damaligen Donauverlaufe bezogen. Auf Grund der Nähe war diese neue Siedlung ursprünglich der Pfarre St. Martin im heutigen Klosterneuburg zugehörig. Diese Siedlung wurde aber noch im 12. Jahrhundert zweimal durch Hochwasser zerstört. Bei jedem Neuaufbau wurde sie dabei allerdings in von der Donau entferntere und höher gelegene Gebiete verlegt. Mit der zweiten Verlegung gelangte sie so bereits auf das Gebiet des heutigen Korneuburger Hauptplatzes. Die mit diesen Ortswechseln einhergehende Entfernung von der Pfarre St. Martin brachte die Notwendigkeit, in der neuen Siedlung eine eigene Pfarre zu errichten. Wann genau die Errichtung dieser neuen Pfarre erfolgt ist, liegt jedoch im Dunkeln. Tatsache ist aber, dass der Babenberger Herzog Heinrich II. Jasomirgott im Jahre 1171 in einer Urkunde einen eigenen Pfarrer in dem Neuenburger Ortsteil nördlich der Donau nennt, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Chorherr des Stiftes Klosterneuburg gewesen ist. Ob und wo eine dazugehörige Pfarrkirche bestanden hat, ist nicht geklärt. Diese Erwähnung eines eigenen Pfarrers liegt nämlich zeitlich zwischen der ersten und der zweiten hochwasserbedingten Verlegung der Siedlung. Es ist aber anzunehmen, dass es eine solche Kirche gegeben hat. Um die später im Rathausturm aufgegangene Nikolai-Kirche kann es sich dabei jedenfalls nicht gehandelt haben, da diese dezidiert nie Pfarrkirche gewesen ist.

Nach der zweiten Verlegung der Siedlung berichtet die Pfarrchronik vom Neubau der Pfarrkirche auf ihrem heutigen Platz. Die zeitliche Datierung dieses Neubaus verdankt man der Tatsache, dass sich die Siedlung durch ihre zweimalige Verlegung immer mehr in die Nähe bzw. auch in das Gebiet der weitaus älteren Pfarre Leobendorf ausgedehnt hat. Der Grund, auf dem die heutige Pfarrkirche steht, gehörte nämlich ursprünglich zu Leobendorf. Probst Dietrich Purger von Klosterneuburg übertrug daher als Entschädigung für diesen Grund dem Pfarrer Herrand von Leobendorf aus dem Stiftsbesitz einen Hof zu Harmansdorf samt zugehörigen Untertanen. Der Vertrag wurde vom zuständigen Diözesanbischof Mangold von Passau mit einer Urkunde, die auf den 9. Oktober 1212 datiert ist, bestätigt. Ob dieser Tausch zu Baubeginn oder bereits nach Fertigstellung der neuen Pfarrkirche erfolgt ist, geht aus der Urkunde nicht hervor. In der Zeugenliste wird auch ein Pfarrer Hermann von Neunburg genannt, der somit der erste namentlich erwähnte Pfarrer des späteren Korneuburg gewesen ist.

Die Pfarrchronik beschreibt den Kirchenbau, der mit Sicherheit im spätromanischen Stile begonnen worden war, nur relativ knapp als gotische Kirche mit einem Haupt- und zwei Seitenschiffen sowie einem Umbau im 17. Jahrhundert.Es werden ein Haupt- und vier Seitenaltäre im vorderen Teil der Kirche genannt. Von der Weihe des Hochaltares und der Kirche zu Ehren des Hl. Ägydius erfährt man erst aus einer späteren Urkunde (1306), in der ein Herr Ulrich, genannt von Neydaw, als Pfarrer der Ägydikirche zu Neuenburg, Markthalben genannt wird. In selbiger Urkunde wird die Pfarre jedoch mit St. Gylgen bezeichnet, was in jener Zeit eine häufige mit St. Ägyd idente Schreibweise darstellt. Zusammenfassend kann man hier festhalten, dass trotz aller Ungenauigkeiten in der Überlieferung schon allein auf Grund der gesicherten Datierung der Tauschurkunde von 1212 dieses Jahr als Entstehungszeit unserer heutigen Pfarrkirche angenommen werden kann und man es daher als belegbare Basis einer achthundertjährigen Geschichte zählen kann. Über den weiteren historischen Verlauf im 13. Jahrhundert schweigt die Pfarrchronik.

Mit der 1298 durch den Habsburger König Albrecht I. erfolgten Stadtrechtserneuerung und im selben Zuge durchgeführten Teilung der Stadt Neuenburg in die heutigen Städte Klosterneuburg und Korneuburg wurde die Pfarrkirche St. Ägyd zur alleinigen Pfarre unserer Stadt. Wird auch der erste namentlich genannte Pfarrer als Chorherr bezeichnet, so war es im Laufe der Zeit nicht eindeutig, ob es sich bei St. Ägyd um eine Stiftspfarre handelte. Vor allem im 14. und 15. Jahrhundert wechselten sich immer wieder Chorherren und Weltpriester als Pfarrer ab. Letztendlich wurde die Pfarre endgültig dem Stift Klosterneuburg inkorporiert. Anzumerken ist hier, dass auch innerhalb der Stadt die Beziehungen zwischen der Pfarre und dem seit 1338 bestehenden Kloster der Augustiner Eremiten nicht ohne Konflikte abliefen, deren Ursachen meist ökonomischer Natur waren, da man sich nicht immer über die Verteilung allfälliger Benefizien und Schenkungen einigen konnte.

 Das 15. und 16. Jahrhundert hat die Pfarrkirche dann - trotz zweier Belagerungen der Stadt durch die Ungarn unter König Matthias I. Corvinus (1477 und 1481) und der Wirren um die Reformation und die einsetzenden Türkenkriege - relativ unbeschadet überstanden. Von 1635 bis 1643 übernahmen die Augustiner Eremiten des hiesigen Klosters aus Mangel an Augustiner Chorherren die pfarrliche Seelsorge. Im Jahr 1645 belagerten die Schweden die Stadt. Im Zuge der Kriegshandlungen wurde die Pfarrkirche so schwer beschädigt, dass das Gewölbe einstürzte. Die Pfarre wurde daher in die Klosterkirche zu den Augustiner Eremiten verlegt. Erst im Jahre 1650 konnte wieder ein Chorherr von Klosterneuburg die Pfarre übernehmen.

1660 wurde ein neuer Hochaltar errichtet. Die beiden mittelalterlichen Türme wurden zerstört: einer musstete dann als Spätfolge der Zerstörung und infolge von Blitzschlag 1742 abgebrochen und in barockem Stil neu errichtet werden. Nach einer offensichtlich längeren relativ ruhigen Phase verwüstete die Donau Ende November 1787 die Kirche. Laut Chronik erreichte das Hochwasser die Stufen des Hochaltares. Die Gottesdienste mussten daher bis Ende Februar 1788 wieder in die Klosterkirche verlegt werden. Im Jahre 1793 ließ dann Pfarrer Florian Ulbrich die Kirche umgestalten. Der Hochaltar war einsturzgefährdet und musste erneuert werden. Es wurde der Hochaltar der aufgehobenen Minoriten – Kirche zu Stein a. d. Donau erworben und aufgestellt und am 26. November 1797 durch Propst Floridus von Klosterneuburg geweiht. Im beginnenden 19. Jahrhundert wurden Stadt und Pfarre mehrmals von den napoleonischen Truppen heimgesucht, welche die Pfarrkirche sowie den Pfarrhof devastierten, was sie als brauchbar empfanden raubten und das Übrige – darunter auch viele sakrale Gegenstände mutwillig zerstörten. 1842 erzwang ein Großbrand eine umfassende Erneueerung, bei der der Innenraum der Kirche seine heutige, uns vertraute Gestalt bekam.

Bis zu dieser Zeit waren zwar Chor und die Seitenschiffe eingewölbt, das Hauptschiff wurde aber von einer flachen Decke überspannt, über deren Gestaltung wir nicht sehr viel wissen. Es wird wohl eine einfache Stuck-Decke ohne Bemalung gewesen sein, die dem Kirchenschiff einen saalartigen Charakter verliehen haben mag. Überraschender Weise - weil flache Stuckdecken durchaus im Geschmack der Zeit waren und Gewölbe teuer sind – entschloss man sich, die Decke abzubrechen und auch das Hauptschiff einzuwölben. Die gewählte Lösung ist für eine Kirche dieser Größe ziemlich einzigartig. Vom Baugedanken her ist sie nicht gotisch (es fehlt jede Entwicklung in die Vertikale), sie ist ein wenig romantisch, mit Bezug auf das Alter der Kirche und in ihrer Schlichheit im besten Sinne biedermeierlich. Die tief angesetzten Gewölbe – auf die Ausbildung einer Hochwand wurde verzichtet – binden die Seitenschiffe mit dem Hauptschiff zu einem weiten, nicht allzu hohen Raum zusammen. Licht kommt nur von den Seitenfenstern und aus dieser etwas düsteren Halle öffnet sich der Blick in den lichtdurchfluteten Chor zum Sakrament, zum Licht der Welt. Im selben Jahr 1846, in dem auch der Umbau beendet wurde, wurde die enge Verbindung zwischen Stadtgemeinde und Pfarrkirche gelöst. Die Patronatsrechte – mit der Verpflichtung, die Kirche zu erhalten und auszugestalten – gingen auf das Stift Klosterneuburg über, dem seit alters her die Pfarre inkorporiert war.

Die Bindung mit der Gemeinde war zwar gelöst, aber nicht die Verbindung mit der Bürgerschaft, die in den folgenden Jahrzehnten vieles für die Ausgestaltung und Erneuerung der Kirche tat. 1870 wurde ein neuer Hochaltar angeschafft: mit den Altären scheint Korneuburg immer Pech gehabt zu haben, denn es war bereits der dritte Hochaltar in nur 200 Jahren. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden dann von wohlhabenden Bürgern neue Kirchenfenster gespendet. Was davon noch erhalten ist, kann man auf der Südseite des Langhauses bewundern. Auch eine neue große Orgel - von dem namhaften Orgelbauer, Mauracher - wurde angeschafft. Im Jahre 1900 fand dann auch das Äußere der Kirche seine endgültige Gestalt.

Im Jahre 1899 zeigten sich schwere Schäden am Westwerk, welches samt Turm durchgreifend erneuert werden musste. Auch mit den Kirchtürmen scheint Korneuburg Pech zu haben, der heutige Turm ist schon der dritte Turm. Der mittelalterliche Turm war 1742 wegen schwerer Schäden abgebrochen und durch einen Neubau im barocken Stil ersetzt worden. Kaum 160 Jahre später stand schon wieder ein Neubau an. Bürgerschaft und Stift griffen tief in die Tasche, um den heutigen Turm – ein repräsentatives Wahrzeichen unserer Stadt - zu finanzieren. Um diese Leistung richtig zu würdigen, muss man nur bedenken, wie teuer allein die Erneuerung des Turmdaches im Jahr 2011 war.

In der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen harte Zeiten mit Krieg, Inflation und Arbeitslosigkeit, und so verwundert es nicht, dass aus dieser Zeit wenig von Arbeiten an der Kirche bekannt ist. Nach dem Krieg galt die erste Sorge der Sicherung des Bestandes. Ein Angriff am 20. März 1945 hatte auch die Pfarrkirche beschädigt. Die Fenster auf der Nordseite waren verloren und das Dach war beschädigt. Erst 1955 konnten neue, farbige Fenster beschafft werden. Die Kosten wurden von der Sparkasse und Korneuburger Bürgern wie Molzer, Fetter und Kerschbaum getragen. 1967 wurde die Marienkapelle gestaltet, mit der schönen Madonna aus Betonguss von Grete Filz. Zu dieser Zeit wurde auch der heutige Volksaltar aus Stein aufgestellt, allerdings nicht auf dem jetzigen Platz, sondern unter dem Triumphbogen. Auch schon vorher hatte es einen Volksaltar, ein Provisorium aus Holz gegeben. Korneuburg war ja einer der Orte, an dem die von Stift Klosterneuburg ausgehende liturgische Erneuerungsbewegung ihre Konzepte erprobte. 

1970 war es dann soweit und die lange aufgeschobenen Renovierungsarbeiten konnten beginnen. Es konnte zwar eine Million Schilling aufgebracht werden, aber trotzdem reichte das Geld nicht für alles. Ein Teil des Steinplattenbodens musste zum Beispiel mit Beton ergänzt werden. Die Mittel mussten sparsam verwendet werden, denn es galt nicht nur die Pfarrkirche instand zu halten, sondern es musste auch ins Pfarrheim investiert werden. Der Schüttkasten wurde umgebaut (1977/78) und das Projekt konnte 1983 mit der Einweihung des neuen Pfarrsaals (vorläufig) abgeschlossen werden. Der Bau dieses Pfarrsaals ist Zeichen eines Wandels in der Pfarre, Zeichen für die neue Bedeutung der Laienarbeit, wie sie das zweite Vatikanum initiiert hat. 1994 wurde die vom Wiener Konzerthaus günstig erworbene Chororgel aufgestellt, da die große Orgel reparaturbedürftig war. 1995 wurden Außenfassade und Turm renoviert und unter der Orgelempore die Sakristeien eingebaut. 1999 bis 2001 wurde dann die Innenrenovierung, die 1970 nicht ganz vollendet werden konnte, abgeschlossen. Der Volksaltar wurde weiter in die Mitte des Langhauses verschoben, die dadurch ausgelösten Dispute mit dem Denkmalamt waren heftig, konnten aber infolge der Hartnäckigkeit des Pfarrers durchgestanden werden. 2006 wurde schließlich die große Mauracher Orgel wieder instand gesetzt, sie ist jetzt von einem Spieltisch neben der Chororgel zu bespielen.

Von 2008 bis 2010 wurde der Pfarrhof renoviert und die Innenräume den Erfordernissen der heutigen Zeit angepasst. Wegen größerer Wasserschäden musste 2011 das Dach des Kirchturmes erneuert werden. Seitdem glänzt das neue Kupferdach des Kirchturmes –als Wahrzeichen der Stadt – besonders schön in der Abendsonne.

 

Artikel von Otto Schweizer und Georg Schindler
Erschienen in der Festschrift „800 Jahre Pfarrkirche Korneuburg“

 

Die Daten aus diesem Artikel wurden der Pfarrchronik (bis 1830), den Annalen der Pfarre, dem DEHIO-Band „Die Kunstdenkmäler Österreichs―, der Chronik von Starzer und dem Buch von Ludwig Ried „Korneuburg – Kirche im Wandel der Zeiten― entnommen.

 

Nach oben